Welcome to Egypt, aber aus dem Hafen geht’s nicht raus

Nach einer kurzen Nacht fahren wir am späten Vormittag zum Hafen. Obwohl Damietta ein Gigant von Hafen ist und von der Grösse mit einer Kleinstadt verglichen werden kann, fragt uns das Sicherheitspersonal am Eingangsgate „Toyota Landcruiser?“. Offenbar hat es sich in Windeseile herumgesprochen, dass drei „Westler“ mit ihren Fahrzeugen angekommen sind. Ob dies ein gutes oder schlechtes Omen ist, wissen wir nicht.
Unsere Fahrzeuge stehen noch genauso in der Zollhalle, wie wir sie fünf Stunden vorher geparkt hatten. Was sonst noch so in der Zollhalle herumsteht, ist wenig ermutigend: Originalverpackte Güter aus aller Welt, welche es nicht durch die hohen Zollhürden nach Ägypten geschafft haben: Uralt-Fernseher, mittlerweile rostige Schraubzwingen, vorbedrucktes Verpackungspapier für Nahrungsmittel aller Art, etc.. Am meisten beunruhigt uns ein Motorrad mit dänischem Kennzeichen. Thomas erinnert sich, einen Reiseblog gelesen zu haben, wo Reisender das Motorrad in Damietta im Zoll zurückliess, weil die Einfuhr nicht geklappt hat…

Wir beschliessen, einen Versuch zu starten, die Fahrzeuge ohne Schleuser freizubekommen. Doch die Zöllner sprechen kaum Englisch, das Formular ist nur in Arabisch und nicht einmal die Zöllner wissen, wie es auszufüllen sei. Eine halbe Stunde später steht dann auch – ohne unser Zutun – ein junger Mann vor uns und fragt uns in perfektem Englisch „Hello, how can I help you?“. Es ist Mohamed, ein Schleuser, welcher bei den Zollabwicklungen behilflich ist und von den Zöllnern offensichtlich zu Hilfe gerufen wurde. Er ist sehr freundlich, macht mit uns Festpreise ab und verspricht, das Auto bis zum nächsten Tag um 15.00 frei zu bekommen. Unsere Wagen werden noch inspiziert und danach geht’s aufs Zollamt.

Am Nachmittag fahren wir nach Damietta in die Stadt. Ich bin erstaunt, wie korrekt die Ägypter hier sind. Diese aufdringliche Art der Verkäufer, wie ich sie aus Kairo und einem früheren Badeurlaub am roten Meer kenne, gibt es hier nicht. Auch werden wir nicht (wissentlich) abgezockt: Die Taxifahrer geben freiwillig Rückgeld und versuchen nicht, den Rest einzuheimsen. In Damietta gibt es so gut wie keine Touristen und wir vermuten dahinter den Grund für diese Korrektheit. Die Leute sind ausserdem unglaublich nett. Mehrfach werden wir begrüsst mit „Welcome to Egypt“. Am Abend gehen wir noch essen. Wir gehen ins beste Restaurant der Stadt, welches im obersten Stock eines Bürohauses mit direktem Blick über den Nil liegt. Jeder von uns verdrückt einen Viergänger und trotzdem kostet das Essen inkl. Getränken nur gerade 13 Franken pro Person. Damietta ist generell sehr günstig und wir verbrauchen kaum Geld, obwohl wir es uns während der Warterei wie den Königen gehen lassen.

Am nächsten Tag checken wir aus dem Hotel aus und gehen in den Hafen um unser Auto abzuholen. Doch unsere Freude wird gedämpft: „There is a little problem“, meint Mohamed. Offenbar sind unsere Fahrzeuge als PKW bzw. LKW beim Zoll angemeldet worden und nicht als Wohnmobile, als was sie eingetragen sind. „I am trying to fix it“, verspricht Mohamed. Er bringt uns mit seinem Wagen 15 km nach Ras El Bar, einem Touristenort für Einheimische, damit wir nicht im Hafen warten müssen. Wir verbringen die nächsten Stunden an einer Beachbar und geniessen Cocktails. Um 16.00 kommt dann der Anruf von Mohamed, dass es heute nicht mehr klappen wird. Hoffentlich, so meint er, klappt es am nächsten Tag, einem Donnerstag, inshallah… Wir hoffen es auch, denn nach dem Donnerstag kommt mit Freitag und Samstag das muslimische Wochenende. Besonders am Freitag läuft da gar nichts…

Donnerstag: Heute beginnt die zweite, eigentliche Zollinspektion. Die Fahrzeuge müssen geöffnet und teilweise ausgeräumt werden. Problematisch sind alle elektronischen Geräte, insbesondere Satellitentelefon und Funkgeräte, sowie alkoholische Getränke. Wir verstecken alles so gut wie möglich. Mein Satellitentelefon habe ich bereits am ersten Tag am Zoll vorbei ins Hotel ausserhalb des Hafens geschmuggelt. David hat eine Drohne dabei, welche er in einzelne Teile zerlegt und an verschiedenen Orten im Auto versteckt hat. Dann erfolgt die Inspektion. Etwa fünf Mal müssen wir das ganze Auto zeigen. Jedes Mal wenn wir denken dass wir durch sind, kommt wieder ein neues, hohes Tier und will das ganze Fahrzeug nochmals sehen. Aber wir haben gut versteckt: Die Zöllner finden nichts.
Dann werden Fragen gestellt, deren Bedeutung ich nicht verstehe: Ob mein Fahrzeug Zentralverriegelung hätte und ob der Radio einen Kassetten- oder CD-Player habe. Alles wird auf einem Formular vermerkt. Ich verschweige, dass mein Radio weder Kassette noch CD liest, sondern MP3-Dateien auf einem USB-Stick liest. Dies hätte aber wahrscheinlich die Auswahlmöglichkeiten auf dem Formular überstiegen…
Während dem gesamten Prozedere sehen wir immer wieder, wie Mohamed sich mit einem einzelnen Beamten zurückzieht. Offiziell reden sie miteinander, inoffiziell wissen wir, dass da Geldscheine die Hand wechseln. Ohne Schmiergeld geht in dem korrupten Hafen von Damietta leider nicht viel.
Danach geht’s wieder aufs Zollamt. Trotz Bakschisch-Zahlungen unseres Schleusers vergehen Stunden. Nichts geht voran. Die ganze Warterei erinnert mich irgendwie an den Zivilschutz. Erst gegen 17.00 kommt Mohamed raus und verkündet, dass die Zollformalitäten nun erledigt seien. Leider sei nun aber die Traffic Police schon geschlossen. Die Stimmung nähert sich einem Tiefpunkt. Es wird also auch heute nichts mehr mit Auto freibekommen. Morgen Freitag ist alles geschlossen. Am Samstag solls dann soweit sein. Wir glauben irgendwie noch nicht so recht dran…

Am Freitag machen wir das Beste aus dem Tag. Wir schlafen aus. Danach schlendere ich etwas durch die Strassen von Ras El Bar, kaufe einen fehlenden Schraubschlüssel, gehe zum Coiffeur und am Abend gehen wir wieder richtig gediegen essen…

Samstag, Tag fünf am Zoll: Mittlerweile herrscht Galgenhumor und wir nehmen die Warterei etwas lockerer. Und es gibt Hoffnung: Die Zollformalitäten scheinen tatsächlich abgeschlossen zu sein, denn wir treffen uns mit Mohamed direkt bei der Traffic Police. Von dort sollen wir ägyptische Nummernschilder und einen Führerschein erhalten. Wir rechnen damit, schon bald mit unseren Autos den Hafen verlassen zu können. Doch wir unterschätzen die ägyptische Bürokratie: Von 10.00 morgens bis 14.30 zieht sich der Prozess hin. Und nein, es ist nicht, weil wir anstehen müssten. Nein, wir sind tatsächlich immer an der Reihe. Es dauert mehr als 4 Stunden, bis die unzähligen Formulare ausgefüllt und von den richtigen Leuten unterschrieben sind. Als wir endlich alles in den Händen halten, meint Mohamed, dass er jetzt kurz das Sicherheitspersonal am Hafeneingangsgate schmieren müsste, damit wir überhaupt nochmals in den Hafen hereinkommen um unsere Wagen zu holen. Er schmiert dann einen Polizeibeamten, der uns durch die Security begleitet und 10 Meter dahinter – noch in Sichtweite der Security, wieder aus dem Wagen steigt…

Schliesslich kommen wir gegen 16.00 aus dem Hafen, zu spät um weiterzufahren und ich übernachte noch einmal eine Nacht in Ras El Bar. Morgen geht’s dann weiter nach Kairo. Nach der Bürokratie und Korruption in Damietta freue ich mich nun auf das richtige Ägypten, das Ägypten ausserhalb eines Hafengeländes…

 

Bei der Inspektion (Rechts im Bild mein Campingsessel, um die endlose Warterei bequemer zu überstehen)

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In der Zollhalle lagert so allerhand …

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… zum Beispiel Verpackungsfolien …

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… für Lindor-Schokolade …

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… aber auch das dänische Motorrad, welches es offensichtlich nicht durch den Zoll schaffte

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Beim Coiffeur

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6 Gedanken zu “Welcome to Egypt, aber aus dem Hafen geht’s nicht raus

  1. Super cool, merci fürd Bricht. E chline Vorgschmack für mi — au wenn Südamerika no es paar Nummere eifacher z bereise isch als Afrika (gange e Summer). Viel Spass witerhin!

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  2. Hallo Lukas
    Besten Dank für die Infos!
    Verfolge deine Reiseroute genau. Gute Berichterstattung!
    Ich möchte diese Strecke im nächsten Jahr (und mit gleichem Auto) in umgekehrter Richtung machen. Als denke bitte auch in Gegenrichtung.
    Gute Fahrt und häb sorg!
    Peter Z.

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  3. Hab die Reise auch schon gemacht. In Kairo empfehl ich Dir das Dahab Hostel in der Innenstadt. Kostet gleich viel wie der unsägliche Camping Platz und ist in der Nähe der Sudanesischen Botschaft…Einstellmöglichkeiten gibs in der Nähe-

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  4. Hello Hello my friend, good morning, good evening!
    Tönt doch alles ganz easy ;-)
    Glückwunsch zum Bestehen der wohl grössen Hürde der Reise :-)
    Und weiter gen Süden!

    p.s. noch 11 Tage Weltrettung in Züri…

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  5. Hallo Lukas!
    Gratuliere dir das du die Einreise nach Ägypten geschafft hast! Danke für die Infos!!
    Werde natürlich weiterhin deine Reise verfolgen und wünsche dir alles Gute! Es freut mich
    wirklich sehr das du den Mut hast so eine Reise zu machen.
    Schöne Reise, Günther (Buschtaxi)

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